Kriegspropaganda: Definition, Methoden und Wirkung

Kriegspropaganda bezeichnet den gezielten Versuch der Beeinflussung der öffentlichen Meinung während eines Krieges oder bewaffneten Konflikts1. Sie ist ein wesentliches Element der psychologischen Kriegsführung und dient dazu, das Denken, Handeln und Fühlen von Menschen im Sinne der kriegführenden Parteien zu manipulieren23.

Definition und Grundlagen

Kriegspropaganda ist eine spezifische Form der Propaganda, die darauf abzielt, die Bevölkerung für einen Krieg zu mobilisieren, die Moral der eigenen Truppen zu stärken und den Feind zu dämonisieren4. Sie verfolgt dabei immer ein bestimmtes Interesse und wird von Politikern und Militärs eingesetzt, um beispielsweise die eigene Bevölkerung von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen2.

Im Kern geht es bei Kriegspropaganda um die "Manipulation der Massen durch Machthaber mittels Medien"5. Anders als bei ausgewogener Berichterstattung werden bei der Propaganda bestimmte Aspekte betont (wie die Notwendigkeit des Krieges, die Bedrohung durch den Feind), während andere Aspekte (wie eigene Macht- und Wirtschaftsinteressen oder Kriegsverbrechen der eigenen Soldaten) ausgeblendet werden2.

Historische Entwicklung

Die systematische Nutzung von Kriegspropaganda lässt sich durch die gesamte Militärgeschichte verfolgen, wobei sie mit der Entwicklung moderner Massenmedien an Bedeutung gewann:

Erster Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg erreichten die Propagandaaktivitäten zum ersten Mal alle Schichten der Bevölkerung6. Die deutsche Propaganda richtete sich vor allem gegen Russland, Frankreich und England und bediente ethnische und rassistische Vorurteile6. Ein wesentliches Ziel war es, die anfängliche Kriegsbegeisterung aufrechtzuerhalten und den Soldaten sowie der Zivilbevölkerung das Bild eines "gerechten Verteidigungskrieges" zu vermitteln6.

Zweiter Weltkrieg

Der Zweite Weltkrieg war der erste Krieg, in dem mittels Rundfunkpropaganda große Teile der Bevölkerung eines feindlichen oder neutralen Staates unmittelbar beeinflusst wurden7. Die NS-Propaganda unter Joseph Goebbels nutzte den Rundfunk als "modernste Massenbeeinflussungsmittel" und sendete täglich 113 deutsche Sendungen in 15 Fremdsprachen7. Bezeichnend ist, dass der Krieg selbst mit einer Lüge im Rundfunk begann - dem fingierten polnischen Überfall auf den Sender Gleiwitz7.

Die zehn Prinzipien der Kriegspropaganda

Die belgische Historikerin Anne Morelli und der britische Politiker Arthur Ponsonby haben die wiederkehrenden Muster der Kriegspropaganda in zehn Grundsätzen zusammengefasst89:

1. Wir wollen den Krieg nicht - Die eigene Seite wird als friedliebend dargestellt, die nur widerwillig in den Konflikt gezogen wurde9.

2. Das andere Lager trägt die Verantwortung - Die Schuld für den Konflikt wird dem Gegner zugeschoben9.

3. Deren Führer sind Teufel - Die Führungspersonen des Feindes werden dämonisiert und als böse dargestellt9.

4. Wir kämpfen für eine gute Sache - Der eigene Kampf wird als moralisch überlegen und gerecht dargestellt9.

5. Der Feind begeht mit Absicht Grausamkeiten, wenn uns Fehler unterlaufen, dann nur versehentlich - Die Grausamkeiten des Feindes werden betont, während eigene Vergehen heruntergespielt werden89.

6. Das andere Lager kämpft mit unerlaubten Waffen - Dem Gegner wird der Einsatz unerlaubter oder grausamer Waffen vorgeworfen9.

7. Unsere Verluste sind gering, die der anderen enorm - Die eigenen Verluste werden verschleiert, während die des Feindes übertrieben werden89.

8. Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache - Die Unterstützung von Künstlern und Intellektuellen wird genutzt, um die eigene Sache als kulturell überlegen darzustellen9.

9. Unsere Mission ist heilig - Der Krieg wird mit höheren Idealen wie Freiheit, Demokratie oder Glaubensfreiheit verknüpft9.

10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter - Kritik an der offiziellen Propaganda wird als Verrat oder unpatriotisch dargestellt9.

Methoden der Kriegspropaganda

Kriegspropaganda bedient sich verschiedener Methoden, um ihre Ziele zu erreichen:

Angsterzeugung

Menschen lassen sich am ehesten von der Notwendigkeit eines Militäreinsatzes überzeugen, wenn sie sich einem besonders bedrohlichen Gegner ausgesetzt sehen10. Durch die ständige Wiederholung der Bedrohung durch den Feind wird ein Zustand geschaffen, in dem die Angst vor dem Verlust des Besitzes oder des eigenen Lebens die Bereitschaft erhöht, einen Krieg zu befürworten10.

Zensur und Informationskontrolle

Die staatliche Zensur unterdrückt missliebige Nachrichten und kontrolliert den Informationsfluss6. Im NS-Deutschland beispielsweise wurde das Hören von "Feindsendern" als "Rundfunkverbrechen" mit empfindlichen Zuchthausstrafen geahndet, während in Großbritannien das Mithören dieser Sender ohne rechtliche Folgen blieb7.

Sprachliche Verzerrung und Manipulation

Durch die Verwendung bestimmter Begriffe und Sprachmuster werden Sachverhalte verzerrt dargestellt1011. Typische Techniken sind die Vereinfachung, Verkürzung oder Auslassung von Fakten und Sachverhalten sowie deren Kontexten11.

Emotionalisierung und Ästhetisierung

Kriegspropaganda appelliert an Grundbedürfnisse, Instinkte und Urängste und instrumentalisiert Werte, Mythen und Traditionen einer Gesellschaft11. Durch emotionalisierende Suggestion wird die rationale Analyse erschwert11.

Freund-Feind-Schema

Ein zentrales Element der Kriegspropaganda ist die Anwendung des Freund-Feind-Schemas auf Meinungen, Informationen und Personen11. Der Feind wird als absolut böse dargestellt, während die eigene Seite als unschuldig und gut präsentiert wird10.

Moderne Kriegspropaganda im digitalen Zeitalter

Im digitalen Zeitalter hat sich die Art und Weise, wie Propaganda produziert und kommuniziert wird, stark verändert:

Soziale Medien und Desinformation

Soziale Medien haben sich zu einem wichtigen Kanal für die Verbreitung von Kriegspropaganda entwickelt12. Kriegsparteien nutzen bewusst Kommunikationskanäle wie Telegram oder X (ehemals Twitter), die sich auf die Fahne schreiben, die "Meinungsfreiheit" zu schützen, wodurch ihre Botschaften die Nutzerinnen und Nutzer ungefiltert erreichen13.

Digitale Propagandastrukturen

Heute sind es institutionalisierte Trollfabriken, Bots, Deepfakes und scheinbar regierungsunabhängige Influencer, die dafür sorgen, dass Propaganda weitergetragen wird13. Besonders sensationelle, polarisierende und emotionale Inhalte werden durch Algorithmen bevorzugt angezeigt, was die Verbreitung von Propaganda begünstigt14.

Aktuelle Beispiele

Im Ukraine-Krieg betreiben sowohl Russland als auch die Ukraine Propaganda, wobei beide Seiten versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen1516. Russland steuert massive Desinformations- und Propaganda-Kampagnen gegen westliche, demokratische Staaten, um Zukunftsängste zu erzeugen und eine Spaltung der Gesellschaft zu fördern17.

Gegenmaßnahmen und kritischer Umgang

Um Kriegspropaganda zu erkennen und ihr entgegenzuwirken, sind verschiedene Maßnahmen wichtig:

Medienkompetenz und Bildung

Medienkompetenz und Bildung sind entscheidend, um Propaganda zu erkennen und ihr nicht zu verfallen5. Besonders in Krisenzeiten ist es wichtig, ein Bewusstsein für die Ziele und Methoden von Propaganda zu schaffen18.

Faktprüfung und kritische Analyse

Faktprüfungsplattformen spielen eine zunehmend wichtige Rolle im Kampf gegen Kriegspropaganda12. Eine sorgfältige Überprüfung von Quellen, eine kritische Analyse der Informationen und eine transparente Berichterstattung können dazu beitragen, die Verbreitung von Propaganda einzudämmen12.

Medienpädagogische Ansätze

Medienpädagogische Aufklärung über Kriegspropaganda ist besonders für junge Menschen wichtig, die Informationen in sozialen Medien oft nicht richtig einordnen können19. Kursmaterialien zum Thema "Krieg und Medien" bieten Methoden und Umsetzungsvorschläge für die konkrete Anwendung in der medienpädagogischen Arbeit19.

Fazit

Kriegspropaganda ist ein mächtiges Instrument zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Kriegszeiten12. Sie bedient sich verschiedener Methoden, um Menschen zu manipulieren und für Kriegszwecke zu mobilisieren103. Im digitalen Zeitalter haben sich die Verbreitungswege und Techniken der Propaganda verändert, während die grundlegenden Prinzipien weitgehend gleich geblieben sind1312.

Um sich gegen Kriegspropaganda zu wappnen, ist ein kritischer Umgang mit Medien und Informationen unerlässlich125. Medienkompetenz, Bildung und die Fähigkeit, Propaganda zu erkennen, sind wichtige Voraussetzungen, um in Zeiten von Konflikten und Krisen nicht von Propaganda getäuscht zu werden919.